Banken beenden die Schuldenmoratoria
Schon kurz nach dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie hatte die Europäische Banken-Aufsichtsbehörde (European Banking Authority EBA) klug reagiert und den EU-Banken Anfang April 2020 durch eine gesonderte Richtlinie (Guidelines) erlaubt, für einen begrenzten Zeitraum von den vorgeschriebenen Standards einer angemessen vorsichtigen Kreditvergabe abzuweichen und ein „Moratorium“ zu gewähren: Damit konnten private Schuldner und Firmenkunden die Zins- und Tilgungszahlungen an ihre kreditgebende Bank für eine begrenzte Zeit aussetzen. Die ursprünglich auf drei Monate befristete Regelung wurde zwischenzeitlich zweimal verlängert, zuletzt im Dezember 2020 bis zum 31. März 2021. Die EBA hat jetzt durch eine Sprecherin deutlich gemacht, dass es keine weitere Verlängerung ihrer Richtlinie gibt. Damit fallen ab dem 1. April 2021 alle durch das Moratorium begünstigten Kreditschuldner auf ihre ursprüngliche Kreditvereinbarung zurück.
Gewaltige Kreditvolumina betroffen
Eine EBA-Auswertung zur Inanspruchnahme der Moratorien, die im November 2020 erstellt wurde, stellte fest:
„Bis Juni 2020 wurde ein nominales Kreditvolumen von 871 Mrd. EUR mit EBA-konformen Moratorien für die Rückzahlung von Krediten versehen, was rund 6 % der gesamten Kredite der Banken ausmacht, davon 860 Mrd. EUR an private Haushalte (HH) und nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften (NFK), was knapp 7,5 % der gesamten Kredite an private Haushalte (HH) und nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften (NFK) entspricht. Die Anwendung von Moratorien war über Länder und Banken weit gestreut, wobei einige wenige Banken meldeten, dass mehr als 40% ihrer gesamten Kredite an NFKs und HHs Moratorien unterlagen. ….
Etwa 60% (EUR 495 Mrd.) der Kredite, die EBA-konformen Moratorien unterlagen, wurden an NFKs vergeben, …. Insgesamt wurden 16 % der Kredite an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit Moratorien belegt, gefolgt von 12 % der Kredite an gewerbliche Immobilien (CRE); 7 % der Hypothekenkredite für Wohnimmobilien wurden mit Moratorien für die Kreditrückzahlung belegt.
Mit Stand Juni 2020 sollten etwa 50% der Moratorien vor September 2020 auslaufen, während 85% der Kredite vor Dezember 2020 auslaufen sollten. Einige Länder haben jedoch bereits eine automatische Verlängerung der Moratorien, über das Jahresende hinaus, angekündigt.“
Angesichts dieser Größenordnungen ist die Sorge der Behörde um die Finanzmarktstabilität und um die Solvenz der europäischen Banken verständlich. Erst in der vergangenen Woche bekundete auch der Internationale Währungsfonds mit der Veröffentlichung seiner aktuellen Studie „COVID 19 – How will European Banks Fare?“ eine entsprechende Sorge: Zwar seien die europäischen Banken derzeit überwiegend noch gut aufgestellt, eine mögliche Welle verschleppter Insolvenzen bereite aber zunehmend Sorge.
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Schuldenmoratoria: Sondervereinbarungen bleiben möglich
Für die betroffenen Kredit- und Darlehensnehmer bedeutet das natürlich nicht, dass sie jetzt auf einen Schlag alle ihre Schulden zurückzahlen müssen. Lediglich der “Vor-Corona“ regulär vereinbarte Kapitaldienst muss wieder aufgenommen werden. Darüber müssten alle Kreditkunden eigentlich auch gesondert von ihrer Bank bereits schriftlich informiert worden sein. Besonders zu achten ist allerdings darauf, wie die zwischenzeitlich gestundeten Zinsen behandelt werden. Unsere Anfrage beim Bankenverband zu hierfür bestehenden Vorgaben konnte zu unserem Redaktionsschluss noch nicht beantwortet werden. Wir holen diese Information baldmöglichst an dieser Stelle nach.
Das Ende des Schuldenmoratoriums bedeutet auch nicht, dass Kreditnehmer keinerlei Sondervereinbarung mit ihrer Bank für Zins- und Tilgungszahlungen treffen können. Die Schuldner werden dabei jedoch jetzt wieder auf Bankpartner treffen, die ihren Entscheidungen die herkömmlichen Risikoerwägungen zugrunde legen. Die Maßstäbe für Risikoprüfungen sind den Banken gesetzlich oder von den Aufsichtsbehörden vorgeschrieben. Die Entscheidungsspielräume sind somit geringer, als mancher Kunde denken mag. Dennoch bleibt Raum für Verhandlungen. Sollte die Bank aber etwa bei einem Unternehmen den Eindruck gewinnen, dass der Schuldendienst weiter gefährdet ist, muss mit Druck auf eine komplette Restrukturierung der Unternehmensfinanzierung gerechnet werden. Das kann etwa den Nachschuss von Eigenkapital bedeuten. Aus dem italienischen Bankensektor erreichten uns Berichte, dass Unternehmen dort sogar zum Verkauf oder zu einem Merger mit einem stärkeren Wettbewerber gedrängt werden. Allerdings gibt es in Italien auch bereits interessante Erleichterungen für Kreditrestrukturierungen: Sogenannte Impact Loans sehen geringe Zinsen für umweltfreundliche bzw. nachhaltige Investitionsvorhaben vor.
Nach Ansicht des europäischen Verbands der kleinen und mittleren Unternehmen SME United ist daher jetzt auch die Politik in den Mitgliedsstaaten gefordert, weitere öffentliche Förderangebote zu entwickeln, die besonders jenen Unternehmen zu Gute kommen, die „nach Corona“ eine gute „Überlebenswahrscheinlichkeit“ haben.
Auch gesunde Unternehmen kommen unter Druck
Prinzipiell müssen jetzt alle Unternehmen damit rechnen, dass die Banken ihre gesamten Kreditengagements überprüfen und sich auf die vermeintlich „guten“ Kunden konzentrieren, ähnlich wie dies auch im Anschluss an die Finanzkrise stattfand. Ein Gespräch mit dem Firmenkundenbetreuer der Hausbank sollte daher jetzt möglichst bald auf dem Terminkalender jedes mittelständischen Unternehmers stehen. Dabei sollten aktuelle Jahresabschlüsse, BWAs und alle sonstigen Dokumente zur Hand sein, die eine zeitnahe und prognostische Unternehmensbeurteilung erlauben.
Diese Vorarbeit ist im Übrigen auch für einen erfolgreichen Unternehmensverkauf erforderlich.
Hinweis: Diese Informationen enthalten keine rechtliche oder steuerrechtliche Beratung und können eine solche auch nicht ersetzen. Falls Sie weitergehende rechtliche oder steuerrechtliche Beratung benötigen, empfehlen wir auf Wunsch gern geeignete Ansprechpartner.