Die Nachfolgeplanung im Unternehmen entscheidet
Die Praxis zeigt, dass ein Unternehmen mit einer eher seniorigen Führungs- und Eigentümerstruktur in schwieriges Fahrwasser geraten kann. Daher sollten Unternehmer sich frühzeitig mit der Nachfolge befassen und die Nachfolgeplanung im Unternehmen angehen. Ein solcher Prozess kann mehrere Jahre dauern – wer die Zeit auf seiner Seite hat, gewinnt.
Von Prof. Dr. Holger Wassermann, Geschäftsführer INTAGUS | Transaktion · Nachfolge · Beratung
Ohne Nachfolgeplanung im Unternehmen, kein Verkauf
Wer ein Unternehmen lange mit operativer und gesellschaftsrechtlicher Verantwortung führt, es vielleicht sogar selbst gegründet und aufgebaut hat, denkt häufig sehr lange nicht an einen Ausstieg aus der Unternehmensspitze. Auch mit Mitte oder auch Ende 60 fühlt er sich in der Regel noch jung genug, den Betrieb weiter zu steuern, und ein Nachfolger in der Familie oder im Unternehmen steht ohnehin nicht zur Verfügung. Also macht er als Unternehmen weiter – und setzt sich damit erheblichen Risiken aus, die Vermögenssubstanz auf Dauer zu schädigen.
Denn die Praxis zeigt anhand vieler Beispiele, dass ein Unternehmen mit einer eher seniorigen Führungs- und Eigentümerstruktur in schwieriges Fahrwasser geraten kann. Durch Basel III wurden die Kreditvergaberichtlinien so verschärft, dass eine ungeklärte Nachfolge de facto zu einer Kreditklemme auch für gut geführte Betriebe führen kann. Und auch die Perspektive des Unternehmensverkaufs, die sich im Mittelstand als Nachfolgeoption mehr und mehr durchsetzt, kann sich verkomplizieren, wenn sich ein Eigentümer zu viel Zeit mit der Entscheidung und dem Start des Übergabeprozesses lässt.
Im Alter kann es an Energie fehlen
Das hat auch mit der persönlichen Situation des Unternehmers zu tun. Denn mit fortschreitendem Alter fehlt oftmals die Energie, um das Unternehmen noch so dynamisch wie in der Vergangenheit zu führen. Das Innovationspotenzial nimmt ab, die Bereitschaft für Investments (sofern diese finanziell überhaupt noch möglich sind) ebenso. Die weiteren Entwicklungspotenziale des Unternehmens sind dementsprechend sehr eingeschränkt – und das wiederum kann schnell zu zurückgehenden Ergebnissen führen, die sich wiederum in einer Wertminderung niederschlagen.
Kurz gesagt, kann das zu einem spürbaren Preisverfall und einer erheblichen Handlungsnot führen. Denn irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, an dem der Eigentümer verkaufen muss. Und wenn dann im Vermarktungsprozess deutlich wird, dass ein hoher Druck, beispielsweise aufgrund von Alter oder Krankheit, herrscht, führt dies natürlich dazu, dass der potenzielle Erwerber hohe Forderungen an den Eigentümer beim Unternehmensverkauf stellen wird. Und dieser wird in der Regel auch bereit sein, diese Forderungen zu erfüllen, um – endlich – seinen Exit hinlegen zu können. All‘ das könnte die Nachfolgeplanung im Unternehmen verhindern.
Notverkauf mittels Nachfolgeplanung im Unternehmen verhindern
Und was passiert, wenn der Unternehmer wirklich einmal für längere Zeit ausfällt oder die gesundheitliche Situation so alarmierend ist, dass an eine Rückkehr an die Spitze gar nicht mehr zu denken ist? Dann kann der Unternehmenswert schnell ins Bodenlose sinken, ein Notverkauf muss durchgeführt werden. Dass dieser mit sehr hohen Abschlägen verbunden ist, kann sich wohl jeder leicht vorstellen.
Dieses wenig erfreuliche Szenario kann jeder Unternehmer vorausschauend verhindern. Der erste Schritt: Er sollte Abstand von seinen „Unsterblichkeitsvorstellungen“ nehmen und einen realistischen Ausstieg aus dem Unternehmen anvisieren. Kein Unternehmer lebt ewig, und bis zum 99. Lebensjahr kann oder möchte auch kein Eigentümer seinen Betrieb erfolgreich führen. Irgendwann wird die Zeit kommen, sich zu verabschieden und die Früchte seiner jahrzehntelangen Arbeit zu genießen. Eine gute Benchmark dafür ist das gesetzliche Rentenalter, an dem sich Unternehmer orientieren können. Damit beginnt die Nachfolgeplanung im Unternehmen automatisch.
Nachfolgeplanung im Unternehmen bedeutet Verhandlungshoheit
Den genauen Zeitpunkt bestimmt er aber am besten selbst und lässt sich, wenn irgend möglich, nicht fremdbestimmen. Das verschafft Ruhe und Gelassenheit und macht ihn unabhängiger von den Vorstellungen des Marktes und potenzieller Käufer. Er behält die Verhandlungshoheit auf seiner Seite und muss sich nicht auf Kuhhandel einlassen, weil er eben dringend verkaufen muss. Weil er den Zeitpunkt des Verkaufs selbst gewählt hat, entscheidet er über den Erwerber, kann seine Interessen hinsichtlich Arbeitsplatzerhalts etc. in den Verkaufsprozess einbringen – und einen wesentlich höheren Verkaufserlös generieren als in einer Notsituation, in der schlicht und ergreifend zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt verkauft wird.
Daher gilt die Prämisse: Unternehmer müssen für den wirklich erfolgreichen und professionellen Verkauf eine gewisse Zeit einplanen und diesen Schritt sehr gut vorbereiten. Auch ein gut laufender Betrieb kann nicht innerhalb weniger Wochen verkauft werden wie eine Immobilie, sondern unterliegt zahlreichen Anforderungen und Bedingungen, die sich nicht nebenbei erledigen lassen. Wer sich Zeit nimmt, gewinnt Ruhe und Gelassenheit, um die bestmögliche Entscheidung zu treffen, die ihn emotional, strategisch und finanziell auch wirklich zufriedenstellen wird.
Bis zum Ausstieg kann es mehrere Jahre dauern
In Zahlen bedeutet das: Ein Unternehmensverkauf, der die Ziele des Eigentümers erfüllt, wird mindestens ein bis zwei Jahre, es können aber auch drei Jahre ins Land gehen. Müssen beispielsweise zudem gewisse Restrukturierungsmaßnahmen vorgenommen oder strategisch weitreichende Entscheidungen getroffen werden, kann der Prozess auch noch etwas länger dauern. Das zeigt einmal mehr, wie wichtig eine frühzeitige Planung und Gestaltung ist: Wer sich erst mit dem Blick auf ein konkretes Ausstiegsdatum mit dem Unternehmensverkauf befasst, kann Probleme bekommen, zumal viele Käufer sich auch noch wünschen, dass der Senior-Eigentümer sie für eine gewisse Zeit an der Unternehmensspitze begleitet und sie in Prozesse, bei den Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten einführt. Das kann ohne weiteres auch noch einmal ein Jahr, sodass vom ersten Planungsgespräch bis zum endgültigen Ausstieg auch einmal bis zu vier Jahre ins Land gehen können.
Es ist daher dazu zu raten, sich ca. fünf Jahre vor dem gewünschten Übergabetermin mit der Alternative des Unternehmensverkauf auseinanderzusetzen. Auf diese Weise lassen sich die notwendigen Schritte sehr gut und gewissenhaft vorbereiten – bis hin zu Verbesserungen der Bilanz und anderen wirtschaftlichen Kennziffern, um den potenziellen Verkaufspreis zu erhöhen. Wobei natürlich im Fokus steht, den richtigen Nachfolger zum richtigen Kaufpreis zu finden, der auch willens und fähig ist, die Kontinuität und Tradition eines Unternehmens zu erhalten. Daher ist der Meistbietende vielleicht nicht immer der beste Käufer, weil er durch Stellenabbau oder andere Maßnahmen die Renditen erhöhen will. Diese Strategie entspricht häufig nicht dem Wunsch mittelständischer Verkäufer, die sich weiterhin in Verantwortung für die Mitarbeiter sehen. Und es zeigt sich dann einmal mehr: Wer über genügend Zeit verfügt, kann ausführliche Gespräche führen und Zukunftsstrategien abstimmen, ohne in Stress zu geraten.